Nur Assembler kann alles -------------------------- aus c't Heft 1/89 von Frank Börnke Da soll es doch tatsächlich Leute geben, die ernsthaft behaupten, nur mit einer Hochsprache könne man richtig programmieren. Hier offenbart sich in meinen Augen ein Trend zur Überzivili- siertheit, der doch nur einengen und nicht befreien kann. Da pflegen sie ihre zahmen Lieblinge und geben ihnen so possier- liche Namen wie Logo, Ada oder Pascal. Betrachtet man dann noch die Art und Weise, wie die Hochsprachler in ihrem Elfen- beinturm die Vorzüge von Assembler geflissentlich übersehen, lassen sich schon geradezu dekadente Züge ausmachen. Mögen sie in Frieden ruhen in ihrer sauberen, syntaktisch durch- strukturierten Welt. Hier ganz unten auf der Ebene des Prozes- sors kann ich überzeugt auf jede Hochsprache herabsehen. Zu- gegeben, wer es noch nie erlebt hat, wird dieses Gefühl kaum nachempfinden können, mit dem Prozessor auf du und du zu stehen. Da wird das Programmieren zum Erlebnis, zu einer echten Heraus- forderung. Hier darf ich die Pfade der Struktur verlassen, mich durch vefilzten Spaghetti-Code schlagen und sich selbst modifi- zierende Routinen erschaffen. Was nur irgendwie möglich ist, das kann gemacht werden - und das Resultat gibt mir recht. Welche Sprache ist derart flexibel, kann einen so kompakten Code vor- weisen und ist so schnell in der Ausführung? Da bedarf es keiner Prädikate wie Quick, Turbo oder Speed. Assembler - das ist der Inbegriff von Geschwindigkeit. Aus meiner Position heraus ist jede andere Sprache eine Hoch- sprache, weswegen ich gewissermaßen mit dem Rücken zur Wand ste- he. So fällt es mir leicht, mir einen gewissen Überblick über die Situation zu verschaffen. Mit meinem Nachbarn C verstehe ich mich noch ganz gut, aber dann hört meine Freundschaft auch schon auf. Wenn ich sehe, wie so manch einer versucht, seinen Programmtext durch besserwisserische Compiler zu quälen (in wel- che Sprache denn eigentlich?), kommt echte Schadenfreude auf. Peinlich wird es dann, wenn der vermeintliche Programmierer ver- kündet, das fertige Programm habe er ganz allein entwickelt. Hat er da nicht etwas übersehen? Was hindert ernsthafte Programmierer bloß daran, sich auf Assem- bler einzulassen? Sollte es vielleicht die Angst vor den Mnemo- nics sein? Die Vorstellung, ein solch furchterregendes Wort sei am Ende nur der Vorbote desssen, was den angehenden Assembler- alchimisten am Ende erwartet? Sicherlich, ein Spaziergang ist es nicht, sich dem Rechner auf diese Weise mitzuteilen. Dieser wehrt sich heftig mit Exceptions, Dead-End-Alerts und Medita- tionen. Da fliegen die Bomben, da wird aufgehängt und abge- stürzt. Was mag das für eine Welt sein, in der solche Wörter zur Umgangssprache gehören? Nur mit Geduld schafft man es am Ende, sein Ziel zu erreichen. Der wahre Programmierer gibt sich damit jedoch nicht zufrieden. Benutzen mögen das fertige Programm die anderen. Ihn zieht es weiter, auf in die nächste Runde und zu neuen Abenteuern.